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Samstag, 10 Juni 2017 11:43

Jakobsweg per Velo Empfehlung

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die sechs Pilger (Peregrinos) vlnr: Roland, Walti, Peter, Josef, Willy, Bruno die sechs Pilger (Peregrinos) vlnr: Roland, Walti, Peter, Josef, Willy, Bruno

Strecke: Camino de Santiago francés vom 20.05.2017 - 03.06.2017

Es gibt viele Gründe, weshalb das Pilgern auf dem Jakobsweg in den letzten Jahren so in Mode gekommen ist. Die nachfolgende Auflistung ist bei weitem nicht vollständig:

  • Religiöse Motive
  • Auszeit aus dem bisherigen Leben und Überprüfung der Lebenssituation
  • Neugier auf das Fremde und Kontakte mit Land und Leuten
  • Die sportliche Herausforderung
  • Die Sehnsucht nach Einfachheit und Freude an der Improvisation

Für die tausenden von Pilgern jeglichen Alters, welche wochen- oder monateweise zu Fuss unterwegs sind, treffen sicher eine oder mehrere der genannten Beweggründe zu. Wir sechs Velofahrer vom Veloclub Sins (Willy wurde während zwei Wochen adoptiert) absolvierten wie maximal 10% der Pilger den Jakobsweg in Spanien per Velo und zwar den Camino Santiago francés (es gibt noch andere Streckenführungen). Für uns Radler stand ganz klar der sportliche Aspekt, Geselligkeit und Freude am Improvisieren im Vordergrund. Durch das tägliche Sammeln von Stempeln auf dem Pilgerpass, der Abholung des Pilgerzertifikats (nach 2-stündigem Anstehen) und dem Besuch der Pilgermesse in der mehr als prallvollen Kathedrale von Santiago de Compostela stellten sich dann aber auch bei uns hartgesottenen Velofahrern sogar spirituelle Gefühle ein. Ein würdiger Abschluss unserer 13-tägigen Fahrt durch den Norden Spaniens. An 10 Tagen (3 Ruhetage) spulten wir 1050 Kilometer und über 12000 Höhenmeter ab.

Einmal mehr organisierte Bruno auch diese Tour umsichtig. Weitere fünf Fahrer begleiteten ihn 14 Tage lang. Wir konnten ausnahmslos von gutem Wetter von heiss bis eher kühl profitieren. Regengüsse und einmal sogar Hagel gab es nachts oder am Ruhetag. Die Route erfolgte fast zu 100 Prozent auf asphaltierten Carreteras (Landstrassen) mit sehr wenig Verkehr und rücksichtsvollen Autofahrern. Grösstenteils ist die Streckenführung nicht identisch mit den Fusspilgern. Ab Pamplona kreuzten sich die Wege der Fuss- und Velopilger immer wieder mal. Mit „buen Camino“ grüsst man sich unter den Pilgern, welche als Symbol eine Jakobsmuschel am Rucksack oder eben an der Sacoche hängen haben. Die Strassen waren fast ausnahmslos in gutem Zustand. Hervorheben möchten wir die hilfsbereite Art der einheimischen Bevölkerung, die jeweils spontan ihre Hilfe anerboten. Das Preisniveau für Übernachtung und Verpflegung war für unsere Verhältnisse tief, deutlich tiefer wie in Frankreich oder Italien.

Samstag, 20.05.2017
Schnell waren am Flughafen in Bilbao die Kartonschachteln ausgepackt und die Velos wieder fahrbereit montiert und sofort schlug die Defekthexe zu. Peter’s Sattelstütze-Schraube brach und an Willy’s Velo zerbrach ein paar Kilometer weiter eine Speiche. Unterwegs zum Hotel realisierte ein spanischer Velofahrer, dass bei bei uns nicht alles rund lief. Er lotste uns zu seiner Velowerkstatt und montierte an Willy’s Velo ein Hinterrad (Occasion). Auch Peter’s Sattelschraube konnte ersetzt werden. Bilbao ist eine baskische Grossstadt, sehenswert mit vielen schönen Plätzen (rd. 345‘000 Einwohner).

Sonntag, 21.05.2017: Bilbao-Vitoria Gasteiz: 86 km / 1200 Hm
Unweit des Stadtgebietes von Bilbao in einem Anstieg war Josef’s Bärenstärke zuviel für sein Rennrad: Kettenklemmer, Wechsel in den Speichen u.a. Die gelernten Maschinenmechaniker, Feinmechaniker und Konstruktionsschlosser berieten, hebelten, würgten und drückten mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Werkzeuge (alles andere als Ideal für diesen Fall). Nach über einer Stunde wollte man schon aufgeben – Velo nicht mehr reparierbar. Walti blieb hartnäckig, holte den allerletzten Trumpf aus der Trickkiste und siehe da, Josef’s Velo war wieder einigermassen funktionstüchtig. Bis zum Endziel in Santiago hielt das Velo durch. Dass Josef den kleinsten Gang nicht mehr einlegen konnte, war für ihn angesichts seiner vorerwähnten Bärenstärke unerheblich.

Montag, 22.05.2017: Vitoria Gasteiz-Pamplona: 118 km / 1350 Hm
Wir erlebten eine sehr schöne Etappe, hügelig, grün, viel Ackerbau auf dem Lande. In der grossen Stadt Pamplona (rd. 195‘000 Einwohner) fanden wir eine günstige Unterkunft, welche aber ganz ok war. Roli konfrontierte uns mit der Idee, jeweils im Waschsalon zu waschen und während der Wasch- und Tumblerzeit ein Bier zu trinken. Dieser Vorschlag kam sehr gut an. Während der Tour lernten wir insgesamt 5 Waschsalons kennen. Auch Pamplona hat sehenswerte Plätze und Gassen. Während unserer Anwesenheit wurden keine Munis durch die Gassen gejagt.

Dienstag, 23.05.2017: Pamplona-Logroño: 96 km / 1350 Hm
Wiederum eine wellige Etappe bei heissem Badewetter, unterwegs im Rioja Weingebiet
bestaunten wir den Fuente de vino (Weinbrunnen), aus welchem auf Knopfdruck wahlweise Wein oder Wasser à discretion sprudelt. Wir füllten die Bidons mit (?). Das Etappenziel Logroño ist das Zentrum des Rioja Anbaugebietes. In der berühmten Calle Laurel fanden wir ein gutes Restaurant.

Mittwoch, 24.05.2017: Logroño-Burgos: 148 km / 1710 Hm
Längste Etappe der Tour: Für die ersten 10 Kilometer benötigten wir über eine Stunde. Willy beklagte erneut einen Speichenbruch. Roli zentrierte das Rad so gut wie möglich und weiter ging es. Burgos: Stadt mit imposanten Bauten, gepflegt (175‘000 Einwohner). In einer Apotheke (?) erkundigte sich Peter nach der Adresse einer Velowerkstatt. Die freundliche Apothekerin legte sich mächtig ins Zeug, googelte und gab uns die Adresse samt Wegbeschreibung.

Donnerstag, 25.05.2017: Burgos-Carrión de los Condes: 103 km / 635 Hm
Nach dem Frühstück suchten wir zuerst die Velowerkstatt auf. Willy’s Lust auf weitere Speichenbrüche war auf dem absoluten Nullpunkt. Er kaufte sich die Räder 2 bis 3 auf dieser Tour dazu (neue Räder) und hatte fortan Ruhe. Beim Etappenziel Carrión de los Condes handelt es sich um ein grösseres Dorf mit wenigen Hotels. Eine geschäftstüchtige Frau organisierte für uns eine schöne 4-Zimmerwohnung. Ein erstes Problem war gelöst, das viel schwierigere sollte noch kommen. Warnung an die Leser: Wer weder Blut sehen noch Blut lesen kann, sollte unter „Freitag“ weiterlesen. Im Restaurant El Corte genossen wir bei bester Laune das Nachtessen. Beim Verlassen des Restaurants bewunderte Walti ein grossformatiges Wandbild und übersah dabei eine relativ hohe Treppenstufe, stürzte, wollte sich auffangen und schlitzte an einer scharfen Kante einer Steinplatte den Arm auf. Aus einer tiefen, ca. 10 cm langen Fleischwunde schoss das Blut – nicht zu knapp. Unsere Serviertochter sah das Unheil, band mit einer Stoffserviette die Wunde provisorisch zu und eilte mit uns hinaus zum Dorfarzt. Dieser befand, dass die tiefe Wunde im Spital von Palencia (Provinzhauptstadt/80‘000 Einwohner) genäht werden müsse. Peter (Spanischkenntnisse) begleitete Walti auf der 45 km Taxifahrt in das Spital. Stichwortmässige Aufzählung: Aufnahme der persönlichen Daten, Wartsaal mit ca. 20 anderen Notfallpatienten, warten, röntgen (zum Glück keine Sehnen- und Knochenverletzung), abklären, warten, warten. Dann kam der junge Arzt, welcher selber auch Radsportfan war, nähte mit 14 Stichen Walti’s Wunde zu, Rückfahrt mit Taxi. Um 03:10 Uhr erreichten wir die Wohnung, Insgesamt verbrachten Walti und Peter rund 5 Stunden im Spital.

Freitag, 26.05.2017 Ruhetag in Carrión de los Condes
Der Arzt verordnete Walti einen Ruhetag. Wiederum im El Corte : Morgenessen und auch Nachtessen. In kurzer Zeit mutierten wir zu Stammgästen und das Servierpersonal erkundigte sich stets nach Walti‘s Wohlbefinden. In den nächsten Tagen zeigte Walti, dass man auch mit eingebundenem Arm stark fahren kann. Sein einziges aber nicht zu unterschätzendes Handicap blieb die dosierte Zunahme von vino tinto, cerveza und dergleichen (wegen Antibiotika).

Samstag, 27.05.2017: Carrión des los Condes-Léon: 108 km / 515 Hm
Eine Flachetappe, stets begleitete uns leichter Rückenwind. Der gefahrene Durchschnitt von 29.1 km/h war beachtlich. In Léon waren wir in einem Tophotel (Booking 9.3) untergebracht.
Léon: wiederum tolle Stadt (125‘000 Einwohner) mit einer Kathedrale, die seinesgleichen sucht. Absolut beeindruckendes Meisterwerk ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert mit unbeschreiblich schönen Glasfenstern.

Sonntag, 28.05.2017: Léon-Ponferrada: 109 km / 1225 Hm
Königsetappe bei trockenem, eher kühlem und etwas windigem Wetter. Wir erreichten den höchsten Punkt der Tour (Cruz de Ferro / 1537 M.ü.M.) Im idyllischen Bergdorf El Acebo genossen wir einen längeren Mittagshalt. Unterwegs verpflegten wir uns meistens mit Bocadillos (belegte Brote), welche man in verschiedenen Grössen bestellen konnte. Gegen Abend erreichten wir durch eine sehr schöne, verkehrsfreie Gegend unser Etappenziel Ponferrada, wo wir in einem einfachen Hotel bestens beherbergt wurden.

Montag, 29.05.2017: vorgezogener Ruhetag in Ponferrada wegen (Wetterprognosen)

Dienstag, 30.05.2017: Ponferrada-Sarría: 102 km / 1523 Hm
Diese Etappe ging ganz schön in die Beine. Ein ständiges auf und ab. Eine einsame Gegend mit ärmlichen Dörfern. In Samson passierten wir ein grosses Kloster. In diesem Dorf könnte man halbe Strassenzüge kaufen (se vende, se vende). In Sarría gönnten wir uns ein 4-Stern Hotel, welches pro Person inkl. tadellosem Frühstück lediglich CHF 43.00 kostete!

Mittwoch, 31.05.2017: Sarría-Arzúa: 87 km / 1500 Hm
Gefühlt ging es den ganzen Tag nur bergauf, hin- und wieder sehr „stotzig“. Immer wieder trafen wir unterwegs Velofahrer, mit welchen wir schon Tage vorher geschwatzt haben: Deutsche, Holländer, Franzosen, Argentinier, Amerikaner, Belgier, etc. Überrascht waren wir, wieviele Nordamerikaner auf dem Camino unterwegs waren. Wie Hape Kerkelings Buch/Film zusätzliche europäische Peregrinos (Pilger) „produziert“ haben dürfte, gilt es das amerikanische Pendant, das Filmdrama „the way“ zu erwähnen. In Arzúa haben wir gut gegessen, dafür waren wir in einer ziemlich lärmigen Absteige untergebracht. Mit der heutigen Etappe haben wir die Provinz Galizien erreicht. Das Wetter schlug um: kühl zum Teil sogar neblig, aber immer trocken.

Donnerstag, 01.06.2017: Arzúa-Santiago de Compostela: 55 km / 900 Hm
Die ersten drei Stunden fuhren wir bei kühlem und wiederum nebligem Wetter! durch sehr einsame Gegenden in Galizien. Bisweilen zweifelten wir an Walti’s Navi. Auffallend die vielen Eukalyptus Wälder. Bevor wir in die Stadt Santiago fuhren, inspizierten wir den Flughafen. Insbesondere interessierte uns, ob es im Flughafenareal Kartonschachteln für den Rückflug unserer Velos zu kaufen gab. In Santiago de Compostela (sehr schöne Altstadt mit mächtiger Kathedrale und zentralem Parador; 95‘000 Einwohner) war es sehr schwierig, drei freie Hotelzimmer zu finden. In einer alten Stadtwohnung fanden wir bei Ramón Unterschlupf. In der gleichen Wohnung war auch noch ein Jus-Student untergebracht.

Freitag, 02.06.2017: Ruhetag in Santiago de Compostela
Anstehen für das Pilgerzertifikat, Morgenessen, Pilgermesse, Stadtbesichtigung. Roli’s Riecher für gute Lokale führte uns in ein Superrestaurant, wo wir zwar deutlich teurer wie üblich aber dafür hervorragend getafelt haben.

Samstag, 03.06.2017: Santiago de Compostela-Flughafen in Santiago: 15 Km / 300 Hm
Bummelfahrt zum Flughafen, Kauf der Velokartons und Verpackung der Velos. Die Verfrachtung der Velos ist kostenlos, sofern das Maximalgewicht 23 kg nicht überschreitet, resp. die Maximalgrösse der Velokartons eingehalten wird. Rückflug nach Zürich (2h).

Pilger (Peregrinos):

  • Bruno: Señor Caña (Bier ab Zapfhahn), Initiant und Organisator, hatte (fast) alles im Griff und verdient deshalb ein dickes Lob, wurde auch in Spanien nicht zum Fischesser, Verpackungskünstler.
  • Roland: Señor Tila (Lindenblütentee), unser Kompass auf zwei Beinen (Orientierungssinn), führte uns immer zielorientiert zurück zum Hotel oder in die beste „Fressbeiz“, Liebhaber luftiger „Schuhe“, vermutlich auch Aktienbesitzer von Wäschesalons.
  • Josef: Señor Café americano, auf Trainingsfahrt für sein Saisonziel: Transalp (mit dieser Form Kronfavorit), nahm sein Velohandicap mit grosser Gelassenheit auf sich, wird die butterzarten Spargeln vermissen.
  • Willy: Señor Clara (Panaché), kaufte sich in Spanien insgesamt zwei Hinter- und ein Vorderrad zusammen, als gelernter Landwirt hin und wieder im „ Jammeri-Modus“ hängen geblieben.
  • Walter: Señor Café con leche, Chefmechaniker und zugleich Navigator in schwierigen Fällen, Sturzopfer und Spitalinspizient, hielt trotz Verletzung grandios durch.
  • Peter: Señor Vino tinto, wähnte sich in einem 2-wöchigen Gratis-Sprachkurs, Fischesser aus Überzeugung, verwaltete das Gruppenportemonnaie sorgfältig und mit Augenmass für das korrekte Trinkgeld.

Weitere Informationen

Gelesen 4921 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 21 Juni 2017 17:11
Burkard Peter

Pensionär, Rennvelofahrer, Mountainbiker und ehemaliger Läufer.

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